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AutorenbildHeike HL

DozentSein: Praktisches Examen in der Physiotherapie - Tipps für ein gutes Gelingen

Aktualisiert: 8. Feb. 2020


DozentSein: Praktisches Examen in der Physiotherapie - Tipps für ein gutes Gelingen...Ein BLOGBeitrag zur Unterstützung von Prüfenden und Prüflingen.

Da war sie wieder - die Examenszeit. Meist im Sommer wohnen wir als Dozenten verschiedenen praktischen Prüfungen bei. Wir haben sie zu verantworten und zu bewerten. Es ist gut, dass man zu Zweit prüft - so verteilt sich die Verantwortung. Erwartung und Wahrnehmung verdoppeln sich, doch für die Bewertung des Prüflings im Examen ist das vorgeschrieben und sinnvoll.

Viele Jahre begleite ich schon Examina, auch am Patienten - mal als Erstprüferin, mal als Zweitprüferin. Hier teile ich aus meiner Erfahrung Fakten und Tipps.

Fakt 1: Prüfungsbeteiligte sollten informiert sein.

Die medizinischen Einrichtungen, in denen geprüft wird, sind unterschiedlich. Meist wird es ein Krankenhaus oder eine Klinik sein. Manchmal vielleicht auch eine Praxis. Das ist abhängig von der Fachrichtung, die geprüft wird. So existieren verschiedene Prozesse und Nachbehandlungen.

Der Allgemeinzustand (AZ) der Patienten wird sehr unterschiedlich sein. Gerade im Sommerexamen. Die Erhebung der Werte muss also auch in Fachbereichen erfolgen, in denen keine inneren Erkrankungen dominieren.

Es kann sein, dass Angehörige von Patienten keine Information darüber erhalten haben, dass sie während der Prüfung das Patientenzimmer nicht betreten sollen. Es ist möglich, dass pflegerische Aufgaben nicht warten können und Personal das Zimmer betritt. Ein Schild an der Tür hilft, ist aber keine Garantie für eine ungestörte Prüfung.

Patienten kennen die Prüflinge nicht. Und vielleicht kennen sie auch den Zweitprüfer nicht. Es ist also für Prüflinge und Patienten eine neue Situation.

Tipps:

  • Sei auf alles gefasst, bleibe gelassen und kommuniziere mit Personal, Patienten und ggf. Angehörigen.

  • Reise früh an, damit Du Dich orientieren kannst und notiere Dir wichtige Dinge, die Du vor Ort fragen/sagen möchtest.

  • Stelle Dich als Prüfender und als Prüfling vor Ort vor, falls man Dich nicht kennt. Ein Namensschild ist hilfreich. Erkläre als Prüfender den Beteiligten, was Dir wichtig sein wird.

  • Erkundige Dich rechtzeitig nach entsprechenden Nachbehandlungsschemata und therapeutischem Vorgehen, nach Material und Unterlagen.

  • Arztberichte und andere Unterlagen der Einrichtung können Prüflingen ausgehändigt werden. Jedoch kann deren Lektüre den Prüfling Zeit kosten und ihn verwirren.

Fakt 2: Die Bewertung inkludiert eine vollständige Befunderhebung.

Im praktischen Examen bildet sich die Note aus der schriftlichen Befundaufnahme am Patienten und der Vorbehandlung. Die Zeiten dafür sind festgelegt und das Vorgehen auch.

Für Dich als Prüfling ist wichtig: Ein mangelhafter Befund ist u.U. ausschlaggebend für das Bestehen der Prüfung. Es ist also wichtig, alle Bestandteile zu erheben. Diese sollten aussagekräftig dokumentiert werden.

Hauptdiagnose(n) und Nebendiagnose(n) müssen immer nochmal erfragt werden. Auch wenn nach Hauptdiagnose vorbehandelt wird, sind Nebendiagnosen beitragende Einflussfaktoren. Es ist vorallem wichtig, Herz- und Lungenerkrankungen des Patienten zu kennen. Denn diese beeinflussen die Wahl der therapeutischen Maßnahmen. Die Krankengeschichte zur Hauptdiagnose sollte nachvollziehbar dokumentiert werden. Die Prüfer müssen ohne Erklärungen verstehen können, wie sich die Krankheit am einzelnen Patienten entwickelt hat. Die dadurch aktuell bestehenden Auffälligkeiten in den Aktivitäten und der Teilhabe des Patienten an seinem persönlichen Umfeld werden so beeinflusst. Das ist auch der Grund ihrer Erhebung im Befund.

Die Vollständigkeit der Daten wird bewertet. Muss eine Hypothese darüber formuliert werden, was am Patienten durch die Erkrankung zu erwarten ist? Diese sollte die verschiedenen Auswirkungen und Bedingungen des Patienten auf die Behandlungsplanung beinhalten.

Testungen und Messungen sowie die Planung der Behandlung werden ebenfalls bewertet.

Als Prüfende sollten wir uns klar sein, was in welcher Gewichtung bewertet werden soll. Wir sollten die Persönlichkeit des Patienten berücksichtigen. Denn diese beeinflusst die Effizienz der Befunderhebung in einem festgelegten Zeitfenster.

Tipps:

  • Als Prüfling solltest Du alle Bestandteile des Befundes unabhängig voneinander erheben können. Es kostet vielleicht mehr Zeit, wenn Du strikt nach Reihenfolge der Befundblätter arbeitest. Und "Vielredner-Patienten" von ihrer Krankengeschichte gleich zu Beginn Deiner begrenzten Zeit ausführlich berichten. Frage nach der Entwicklung des aktuellen Hauptproblems. Erkläre dem Patienten zu Beginn, wieviel Zeit Du für was hast.

  • Die richtigen Befundinstrumente inklusive einer Uhr sollten immer vorhanden sein.

  • In der Regel sollte die Bewertung eines Befundes nach klaren Kriterien (Punkte/Noten) dokumentiert und beurteilt werden. Diese sollten im Vorfeld bekannt sein. Während der Ausbildung oder des Studiums sollte eine Befundaufnahme auf Zeit geübt werden.

  • Lass Dir als Lernender Rückmeldung von Dozenten in Bezug auf den eigenen schriftlichen Befund geben. Immer wieder. Was kannst Du verbessern? Ist das Geschriebene aussagekräftig genug, wenn Du nichts dazu erklären kannst?

  • Gibt es mehrere Lehrende in diesem Fach? Dann nutze deren Rückmeldungen in Summe.

  • Als Prüfer sollten wir Teilnoten geben, die im Nachhinein nachvollziehbar zuzuordnen sind.

Fakt 3: Bewertungen folgen bestimmten Kriterien im Vergleich zu Anderen.

Vorbehandlungen am Patienten werden nach folgenden Prinzipien bewertet: Wird am Patienten eine Eingangstestung und Endbeurteilung mit sinnvollen Instrumenten erhoben? Wirkt diese geübt? Stimmen Zielsetzung und Maßnahmen der Vorbehandlung mit dem Befund überein? Werden Maßnahmen sinnvoll strukturiert? Bauen sie aufeinander auf - von leicht hin zu anspruchsvoll? Wie wird angeleitet? Wird auf Hygiene geachtet? Werden Vorsichtsmaßnahmen bei Belastung, Lagewechsel oder hinsichtlich des Allgemeinzustands (AZ) beachtet? Elektronische Geräte zur Erhebung des AZ sind hilfreich. Spürst Du die Pulsfrequenz jedoch manuell, bekommst Du noch mehr Hinweise.

Die Berücksichtigung der Kontextfaktoren einer Behandlung sollten ebenfalls im Vergleich bewertet werden. Diese sind: Betroffene Körperteile sollten in der Therapie möglichst frei zugänglich sein. Die Höhe der Bank soll einer eigenen gesunden Haltung entsprechen. Der Patient soll informiert sein, was wie an ihm vorbehandelt wird. Die Lagerung der Körperabschnitte des Patienten soll angemessen sein.

Das Zeitmanagement ist vorgegeben und wird bewertet. Dabei wird beurteilt, ob das Ziel der Behandlung zeitlich angemessen verfolgt wird.

Tipps:

  • Die Kriterien der Bewertung müssen vorher bekannt sein. Es ist sinnvoll, die individuellen Schwerpunkte der Bewertungen des Erstprüfers zu kennen. Handlungsschritte und Leitprinizpien sollten bereits im Unterricht wiederholt und geübt worden sein.

  • Subjektive Erfahrungen mit den Prüflingen während ihrer Studien- oder Schulzeit müssen von Prüfern kritisch reflektiert werden. Sie beeinflussen die subjektive Bewertung.

  • Für Lernende ist die Betreuung in der klinischen Ausbildung eine sehr gute Gelegenheit, sich Rückmeldung geben zu lassen. Behandeln unter Examensbedingungen sollte immer wieder geübt werden. Die Erfahrung der betreuenden Lehrkräfte hilft Lernenden für den Fokus im späteren Examen.

  • Die Dokumentation der Bewertungen im Examen muss genau sein. Bewertungsspalten, Haken, Plus- und Minuszeichen sparen Zeit. Sie schaffen Übersichtlichkeit. Unerfüllte Kriterien sollten gekennzeichnet sein, damit sie auch Wochen später gleich erkennbar sind.

  • Wichtig ist, dass das eigene Prüfungsprotokoll die Bewertung aufweist, der man sich angeschlossen hat. Besprochen wird: Was ist "mangelhaft" und warum? Wie sieht es im Vergleich mit anderen Prüflingen aus? Ist diese Note wirklich gerechtfertigt oder werden einzelne Kriterien stärker gewichtet? Warum werden sie stärker gewichtet?

Fakt 4: Zeitmanagement sollte angemessen geplant sein.

Die Zeit zwischen zwei Prüflingen ist oft sehr begrenzt. Vorallem, wenn es zu unerwarteten Ereignissen kommt oder etwas der Klärung bedarf. Deswegen sollte das Zeitmanagement Prüfern so viel Raum geben, dass sie zwischendurch in Ruhe besprechen können. Und den Befund in Ruhe korrigieren können. Prüflinge sollte pünktlich beginnen dürfen. Sie sind froh, wenn sie endlich an der Reihe sind und das praktische Examen hinter sich haben.

Für Prüfer ist es wichtig, kurz abschalten zu können und nötige Dinge erledigen zu dürfen. Werden erst am Ende des Prüfungstages alle Protokolle besprochen, verlieren sich Energie, Erinnerung und Ressourcen.

Tipps:

  • Die Zeitplanung zwischen den Prüfungen sollte einen Puffer von 10 bis 20 Minuten beinhalten. Diese wird für Besprechung der Prüfungsprotokolle, der gemeinsamen Notenfindung und der Neu-Fokussierung auf den nächsten Prüfling benötigt. Auch der letzte Prüfling hat einen Anspruch auf pünktlichen Beginn und ausgeruhte, aufmerksame Prüfer.

  • Es sollten lediglich fünf Prüfungsbehandlungen am Stück geplant werden. So ist gewährleistet, dass sich die Wartezeit des letzten Prüflings im Rahmen hält. Sein Austausch mit anderen Prüflingen ist so ebenfalls begrenzt. Das vermeidet unnötigen Stress. Auch Prüfende sind dann in der Lage, sich auf die letzte Prüfung angemessen zu konzentrieren.

Fazit für Auszubildende und Studierende:

Bereits der erste Einsatz in der klinischen Ausbildung birgt eine Menge Lernprotenzial für das Bestehen des Examens am Patienten. Geben Dir viele verschiedene Dozenten und Betreuer zu Deinen Vorbehandlungen Rückmeldung, wirst Du viel lernen. So fühlst Du Dich im Examen sicher.

Hast Du die Wahl in Bezug auf die Einrichtungen Deiner klinischen Ausbildungsbereiche? Dann absolviere diese in verschiedenen Arbeitskontexten. Kennst Du die Eirichtung, in der das Examen geprüft wird, gibt Dir das Sicherheit.

Übe so oft wie möglich die Befunderhebung. Übe erst auf Vollständigkeit und zunehmend auch auf Zeit. Lerne, die Bereiche des Befundes einzeln und unabhängig von den Vorgaben des Befundbogens zu erheben. Das wird Dir Sicherheit, Zeitgewinn und Flexibilität geben, wenn es um das Examen am Patienten geht.

Fazit für Prüfende:

Die Bewertungskriterien im Examen sollten klar vermittelt werden. Und das schon mit Unterrichtsbeginn Deines Faches. Die verschiedenen Arbeitskontexte sollten einbezogen werden. Die Unterschiede zwischen Praxis und Akuthaus müssen bekannt sein. Diese beziehen sich auf den Umgang mit Patienten und die (interdisziplinäre) Kollegschaft.

Der Erstprüfer hat die Hauptverantwortung im praktischen Examen. Seine Schwerpunkte in der Bewertung sollte er transparent machen. Genauso wie seinen Unterstützungsbedarf.

Der Zweitprüfer sollte den Erstprüfer unterstützen. Er sollte akzeptieren, was der Erstprüfer warum und wie tut. Die Arbeitsteilung sollte im Vorfeld besprochen werden.

Prüfungen müssen u.U. Raum für Anpassungen haben. Das ist abhängig vom AZ des Patienten und der Auswahl an Patienten.

Die Dokumentation der Prüfung muss auch noch nach mehreren Wochen nachvollziehbar sein. Trotz Zeitdruck muss sie also gut machbar sein.

Viel Erfolg in der nächsten Prüfungsaison!



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