PhysioSein: Bandscheibenvorfälle - Problem oder nicht? Interessant ist doch folgendes: Werden Erwachsene in die Bildgebung geschickt, weil sie vorher klar diagnostizierte Rückensymptome haben, wird man bei den meisten von ihnen Veränderungen der Bandscheiben sehen.
Warum? Weil auch Bandscheibengewebe dem Verschleiß unterliegt und eben als Knorpelgewebe altersbedingten Veränderungen unterworfen ist.
Des Weiteren ist hochinteressant, dass die gleiche Anzahl von Personen, die bildgebend gesicherte Diagnosen auch subjektiv als Schmerz wahrnehmen, nicht höher ist als die Anzahl von Personen, welche zwar bildgebend gesicherte Auffälligkeiten haben, aber keinerlei Symptome.
Das ist der Grund, warum medizinische Leitlinien und z.B. auch das Robert-Koch-Institut (www.rki.de) inzwischen die Gefahr sehen, dass bildgebende Verfahren am Rücken überbewertet werden. Denn weit mehr als die Hälfte der Rückenschmerzen ist nicht-spezifisch, was heißt: Keine nachweisbare Krankheit des Körpers oder dem Schmerz klar zuzuordnende anatomische Strukturen.
Man stelle sich vor: 60-80% der Erwachsenen klagen über Rückenschmerzen...ohne dass etwas körperlich krankhaftes festgestellt werden kann. Bandscheibe hin oder her.
Viel häufiger werden Faktoren wie einseitige Belastungen und Haltungen, mangelnde Ausgleichsbewegungen, Stressempfinden, psychosoziale (arbeitsbedingte und soziale) Belastungen, passives Schmerzverhalten und negative Krankheitsvorstellungen mit chronischen Rückenschmerzen in Verbindung gebracht.
Ob also die Bandscheibe (D)ein Problem ist oder nicht, spielt bei der Schmerzempfindung keine bis eher eine negative Rolle.
Nie werde ich vergessen, wie mir ein zwanzigjähriger Schüler über eine Überlastung beim Fitness erzählte, die zu massiven Rückenschmerzen führte. Er hat mit der Langhantel eine so starke Hebelwirkung auf die LWS gesetzt, dass der Rücken sich danach mit Schmerzen meldete. Sein MRT-Termin (Magnetresonanztomographie) allerdings war erst Wochen später.
Es ging ihm nach zwei bis drei Wochen bereits besser - er konnte im Alltag wieder alles tun.
Doch nach seinem MRT-Termin kam er erneut in leicht gekrümmter Haltung in die Schule. Ich fragte ihn, was los ist und er erzählte mir, dass er nun sein MRT-Bild gesehen hätte und die drei Bandscheibenvorfälle. Seitdem würde es wieder stärker schmerzen....
Die gute Nachricht - ob nun Bandscheibe oder nicht: Akute Rückenschmerzen haben eine sehr gute Prognose - wenn sie nicht einer echten Pathologie zuzuordnen sind (deren Erkennen man übrigens erst mal mit einer ausführlichen Anamnese überprüfen sollte). Bei 75-90% (Quelle: RKI) der Betroffenen verbessern sich die Schmerzen innerhalb weniger Wochen. Und übrigens nicht, weil diese Personen sich schonen und passiv sind. Das wirkt sich sogar eher negativ auf die Symptomatik aus. Besser ist: Schmerzlindernde Maßnahmen (Medizin, Therapien etc.) und Aktivität.
Das wichtigste aber ist Aufklärung. Das merke ich nicht nur an meinen Patienten, sondern auch in Gesprächen mit Menschen, die mir von ihren Vorstellungen und Ängsten in Bezug auf das Thema Bandscheibe berichten.
...Don´t worry - take Physio :-)