DozentSein: Innere Haltung als Prüfer - Einfluss oder nicht? Am Anfang meiner Lehrerbiografie war ich unheimlich stolz und voller Vorfreude, endlich mein Wissen weitergeben zu dürfen. Ich habe alles bis ins Detail vorbereitet, hatte viele Ideen, was ich unterrichten möchte und wie. Das erste Mal vor Schülern stehen - endlich! Wochenlang habe ich mich vorbereitet, ein Skript erstellt aus mehreren Büchern, Filme gesucht und Patientengeschichten ausgegraben. Ich ging in den Unterricht mit der Haltung: Ich kann euch etwas beibringen, ihr bekommt mein Skript (erst mal nur mit dem aktuellen Thema, was ich unterrichten sollte) und ich gehe alles mit euch durch. Ihr werdet interessiert zuhören und Fragen stellen. Ihr lernt das Wissen über Krankheitsbilder und die Physiotherapie dazu. Ich wusste, ich kann laut sprechen, ich kann vor Menschen reden und ich weiß was ich alles kann (den Rest hatte ich mir angelesen)!
Als ich in die Klasse kam (die Schüler waren im zweiten Lehrjahr, ich sollte den Unterricht einer Kollegin übernehmen, die gegangen war) und mich vorgestellt habe, meldete sich die erste Schülerin: "Schreiben Sie EXen?" (EXen für nicht-bayerisch schulerfahrene = Extemporale = unangekündigte schriftliche Überprüfungen des Stoffes der letzten Stunde). Ähhh - wie jetzt!?!?
Von Schulaufgaben und mündlich-praktischen Prüfungen hatte ich schon gehört, aber zu unserer Zeit an der staatlichen Schule in Hamburg hielten sich die Überprüfungen - vorallem unangekündigte - äußerst in Grenzen. Das Examen war das Maß der Dinge...
Meine erste zu haltende Prüfung damals war wirklich eine mündlich-praktische Prüfung. Ich war der Meinung, dass die Schüler genug Stoff hatten - mein Skript war schließlich äußerst ausgiebig, eben ganz nach 2-4 Büchern...sie hatten genug im Unterricht gelernt, dachte ich und ich wollte nun wirklich sehen, was sie davon können. Das musste viel sein! Ich saß also selbstbewusst und erwartungsvoll vor dem Schüler und schaute dem Anlass angemessen ernst und konzentriert. Als mehrere Schüler nicht fließend erläutern und demonstrieren konnten, dachte ich mir: Na was ist das denn? Ist das alles, was die gelernt haben? Das hab ich doch alles gezeigt und erzählt! Was gibt es wichtigeres, als diese Prüfung! Ich war wirklich enttäuscht und habe an mir gezweifelt...
Wie wirkst Du auf andere, wenn Du überzeugt, konzentriert oder ein bisschen enttäuscht bist? Welche Erwartung hast Du an Fiona Fleißig, Noah Nervig, Susi Schüchtern, Karl von Komik, Uli den Unterrichtsschwänzer und Sven den Schwaller? Welche Bilder erzeugen Sie in Dir?
Fiona Fleißig-Schülerinnen sagten mir manchmal nach der Prüfung: "Sie haben so streng geschaut! Ich hatte richtig Respekt und Angst, ob ich alles noch kann, wenn Sie SOO schauen!". Die Karl von Komik-Fraktion äußerten gerne mal grinsend: "Ui, Sie waren ja so ernst, hatten Sie schlechte Laune?". Susi Schüchtern weinte manchmal...das fand ich am schlimmsten.
Inzwischen weiß ich: Meine Sein und mein Wirken sind zwei ganz verschiedene paar Schuhe. Vorallem, wenn der Schüler zum Prüfling wird...Ich bereite Lernende inzwischen nicht nur auf den Stoff vor, sondern auch auf die Rolle und deren Bedeutung in so einem Kontext. Und zwar durch Reflexion und Antizipation...probier es mal aus! Oder bist Du eher der profilneurotische Prüfer, der sich als Physio und Lehrender mit seinen Fächer als das "Non plus Ultra" sieht?